In meinem Blogpost der letzten Woche ging es darum sich bewusst zu
machen, dass man in der Regel trotz aller Schwierigkeiten – egal ob personell,
strukturell oder finanziell – handlungsfähiger ist, als man es selbst glaubt.
Egal wie schwierig, herausfordernd und aussichtslos eine Situation erscheint,
meistens kann man als Pädagog*in bei den Kindern und Jugendlichen dennoch etwas
bewirken oder auslösen.
Aber wann ist es genug?
Ich kann mich noch sehr gut an eine Situation aus meiner Zeit als Teamleitung bei einem sozialen Träger im Bereich Schulassistenz erinnern, die mich bis heute dahingehend sensibilisiert.
Ein Mitarbeiter, der noch sehr jung war, aber dennoch bereits viel
Erfahrung hatte, sollte an einem Tag vertretungsweise einen Einsatz übernehmen,
also einen Schüler begleiten, von dem wir wussten, dass er mit großen
Herausforderungen einher ging. Viele Jahre wurde dieser Schüler von derselben
Mitarbeiterin begleitet, die deshalb ein eingespieltes Team mit ihm bildete,
auch wenn sie selbst teilweise an ihre Belastbarkeitsgrenze kam.
Nun verbrachten der Springer und der Schüler einen gemeinsamen Tag und ich
hatte bereits im Vorhinein um Rückmeldung gebeten.
Am Telefon berichtete der Mitarbeiter nach Schulschluss, dass der Tag
„eigentlich ganz gut“ lief.
Ich stellte ein paar konkrete Nachfragen, auf die er mit dem Erzählen einiger
relativ schwieriger Situationen reagierte. Gegen Ende des Telefonats berichtete
er, er sei nass geschwitzt und völlig k.o., aber er habe „überlebt und einen
Tag konnte man das schon aushalten.“
Nun gibt es bei diesem Beispiel natürlich unzählige Schrauben, an
denen gedreht werden müsste, aber darauf gehe ich vielleicht in einem anderen
Blogpost mal ein.
An dieser Stelle möchte ich das Wort „aushalten“ einmal genauer ausschauen. Der
Mitarbeiter verknüpfte „aushalten“ ja sogar noch mit „überleben“, was das Ganze
natürlich nochmal dramatischer erscheinen lässt.
Aber „aushalten“ wurde bei uns zum geflügelten Wort. Wir wollten nicht, dass unsere
Mitarbeiter*innen ihren Job „aushielten“.
Keineswegs würde ich behaupten ein Job, oder auch alles andere im
Leben muss immer nur wunderbar sein und jeder Tag ausnahmslos positiv. Aber
grundsätzlich sollte es das sein. Und ich habe in den letzten Jahren so häufig
gesehen, dass es das für so viele Menschen nicht ist.
Wie oft hört man Freunde sagen „Ach eigentlich ist alles gut.“? „Das ist schon
okay.“ und so weiter!? Unendlich oft. Und was steckt dahinter? Eigentlich ist nämlich
nichts okay und alles ist schonmal sowieso nicht gut.
Wir sind es in unserer Gesellschaft gewohnt, dass wir irgendwann einen Job anfangen und den dann irgendwie durchziehen. Aushalten. Wir sind das Alltagsgeschäft gewohnt, wir kennen alle positiven und alle negativen Seiten, wir können unser Leben damit finanzieren und erleben in der Regel nicht mehr allzu viele Überraschungen. Aber reicht das?
Getreu nach dem Slogan: „Love it, change it or leave it“ bin ich etwas anderer Meinung.
Wenn wir unseren Job lieben – und das schließt kleine
Schwierigkeiten und Konflikte natürlich nicht aus – dann müssen wir darüber
nicht weiterreden. Dann können wir ihn genießen.
Wenn wir aber feststellen, dass wir Probleme haben, die uns tatsächlich in
irgendeiner Form belasten oder überfordern, dann wird das Genießen schwer.
Wenn wir, wie im letzten Blogpost beschrieben, immer wieder an unsere
Wirkungsgrenzen geraten, oder auch Dinge miterleben, die wir schlichtweg nicht
gut ertragen können, dann stehen wir vor einer Möglichkeit: Wir können unser
Bestes geben, diese Probleme anzugehen und die Dinge zu verändern.
Natürlich geschieht das nicht im Handumdrehen, aber wir können eine Strategie
erarbeiten, Gespräche führen und uns beispielsweise professionelle
Unterstützung in Form von Coaching, Mediation oder Supervision holen.
Möglicherweise stellen wir dann nämlich tatsächlich fest, dass wir
handlungsfähiger sind als wir dachten, oder dass wir Wege finden, in unserer
momentanen Situation wirklich glücklich zu werden.
Aber: Wenn wir uns nun wirklich Mühe gegeben haben, vielleicht mit Kolleg*innen und Vorgesetzten gesprochen haben, wenn wir versucht haben Konflikte zu lösen und alle möglichen Handlungsoptionen durchgegangen sind und sich nichts geändert hat. Dann dürfen wir uns auch eingestehen, dass es das Richtige ist, aufzugeben. Wir müssen nichts im Leben aushalten.
Aufgeben ist natürlich wahnsinnig negativ konnotiert und hat
gefühlt etwas mit Schwäche zu tun. Im Sinne der Selbstfürsorge ist aufzugeben
aber manchmal die Entscheidung, die ganz besonders schwer zu treffen ist und die
vor allem unglaublich viel Stärke benötigt.
Indem man sich selbst von einer etwaigen Belastung befreit, schafft man die
Möglichkeit, an anderer Stelle dafür enorm viel zu bewirken.
Uns selbst in unsere Kraft zu bringen und an der Stelle zu arbeiten, an der wir mit unseren Kompetenzen am Meisten bewirken können, sind wir auch für andere Menschen und besonders auch für Kinder und Jugendliche die größte Bereicherung.
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